Die RGT-Regel und der Super-GAU - Exkurs in die Chemie

verfasst am 28.03.2011 von Diethelm Schneider

Die sogenannte RGT-Regel (Reaktionsgeschwindigkeits-Temperatur-Regel) besagt, dass sich die Reaktionsgeschwindigkeit einer chemischen Reaktion bei der Erhöhung der Temperatur um 10 °C (bzw. 10 K) verdoppelt. Umgekehrt halbiert sich die Reaktionsgeschwindigkeit mit der Senkung der Temperatur um 10°C bzw. 10 K.

Für welche Reaktionen gilt diese Regel nicht? Für Kernreaktionen!

Der Unterschied:
Normale chemische Reaktionen setzen Energie frei, wenn durch die Reaktion die Energie der Elektronenhülle bzw. der Molekülorbitale abgesenkt wird. Für das Zustandekommen der Reaktion bedarf es einer Aktivierungsenergie, die zusammenhängt mit der Bewegungsenergie und der Wahrscheinlichkeit des Aufeinandertreffens der Reaktionspartner.
Kern-Reaktionen, also insbesondere Zerfallsprozesse, sind unabhängig von der Energie der Elektronenhülle und unabhängig von der Wahrscheinlichkeit des Aufeinandertreffens von Reaktionspartnern. Schwere (radioaktive) Elemente, die einen deutlichen Überschuss im Kern an Neutronen gegenüber Protonen haben, zerfallen einerseits spontan, mit einer gewissen Halbwertszeit. Andererseits führt Beschießen der Kerne mit ausreichend schnellen Protonen oder Neutronen zu einem induzierten Zerfall. Dabei werden wiederum Neutronen frei, die zum Zerfall (in andere Radioaktive Isotope) weiterer Atome führen. Beim Zerfall / bei der Spaltung wird hohe Energie frei (viel stärker als bei Elektronen-Bindungen) in Form von alpha-, beta- und Gammastrahlung, die teilweise in Wärme umgesetzt wird. Aufgrund der enormen frei werdenden Energie können hier viel höhere Temperaturen entstehen als bei chemischen Reaktionen.
Bei entsprechend viel strahlendem Material auf engem Raum erfolgt die Spaltung sehr schnell. Bei jeder Spaltung werden mehrere Kernteilchen freigesetzt, die wieder mehrere Spaltungen induzieren. Diese Selbstbeschleunigung bezeichnet man als Kettenreaktion.

Das Entscheidende: Eine kernchemische Kettenreaktion kann man durch Entzug von Wärme nicht abbremsen! Zum einen gibt es keine Aktivierungsenergie wie bei der chemischen Reaktion, auf die man Einfluss nehmen könnte. Zum anderen sind die frei werdenden Energien so extrem hoch, dass ab dem Freiwerden einer bestimmten Menge an Neutronen pro Zeit eine Kühlung mit technischen Methoden, wie man sie aus der Anlagentechnik kennt, nicht mehr greifen.

Wie lassen sich Kernspaltungsprozesse stoppen oder verlangsamen? Nur indem man Neutronenfänger dazu gibt! Eine Zugabe von Blei oder Cadmium in ausreichender Menge würde die Spaltungen auf ein erträgliches Maß senken. Kühlung oder Einbunkern ändert an der Kettenreaktion nichts!


Quelle: http://oekologie-forum.de/Druckansicht_Die-RGT-Regel-und-der-Super-GAU---Exkurs-in-die-Chemie_161.html