Lebensmittelbehörde macht sich der Verbrauchertäuschung schuldig

verfasst am 20.11.2008 von Diethelm Schneider

Die Scheinargumente der Europäischen Lebensmittel-Zulassungsbehörde (European Food Safety Authority, EFSA)

EFSA ignoriert Risiken und macht sich der Verbrauchertäuschung schuldig

Die EFSA will das in Frankreich durchgesetzte Verbot des Anbaus von Mais der Sorte Mon810 für ungültig erklären. Begründet wird dies so: >>Deshalb wurden keine besonderen wissenschaftlichen Erkenntnisse im Zusammenhang mit den Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt vorgelegt, die die Geltendmachung einer Schutzklausel gemäß Artikel 23 der Richtlinie 2001/18/EG sowie einer Sofortmaßnahme gemäß Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 rechtfertigen würde. <<

Schauen wir uns das mal genauer an.

Zitat von der Seite der EFSA:

>>Zusammenfassung  Am 9. Februar 2008 unterrichtete Frankreich die Europäische Kommission über eine Verordnung zur Aussetzung des Anbaus von aus der genetisch veränderten Maislinie MON810 gewonnenen Saatsorten sowie über eine gemäß Artikel 23 der Richtlinie 2001/18/EG geltend gemachte Schutzmaßnahme zum vorläufigen Untersagen des Anbaus der zugelassenen Maissorte MON810 in seinem Hoheitsgebiet. Die Europäische Kommission wurde außerdem am 20. Februar 2008 über eine Änderung der Verordnung unterrichtet. Zwischenzeitlich legte Frankreich der Europäischen Kommission am 13. Februar 2008 eine Mitteilung mit dem Titel "Sofortmaßnahme" gemäß Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 vor. In diesem Zusammenhang ging bei der Europäischen Kommission ein schriftlicher Antrag von Frankreich mit verschiedenen Begleitdokumenten ein. 

Am 27. Februar 2008 ersuchte die Europäische Kommission das Wissenschaftliche Gremium für genetisch veränderte Organismen (GMO-Gremium) der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, das Dokumentenpaket zur Unterstützung und Rechtfertigung der französischen Schutzklausel und der Dauer der geltend gemachten Maßnahme zu bewerten. 

Nach der Bewertung des von Frankreich zur Unterstützung seiner Schutzklausel vorgelegten Informationspakets und unter Berücksichtigung aller zweckdienlichen Veröffentlichungen zum Thema kommt das GMO-Gremium zu dem Ergebnis, dass das vorgelegte Informationspaket im Zusammenhang mit den Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse enthält, die die früheren Risikobewertungen von Mais MON810 entkräften würden. Deshalb wurden keine besonderen wissenschaftlichen Erkenntnisse im Zusammenhang mit den Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt vorgelegt, die die Geltendmachung einer Schutzklausel gemäß Artikel 23 der Richtlinie 2001/18/EG sowie einer Sofortmaßnahme gemäß Artikel 34 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 rechtfertigen würde.    

Veröffentlichungsdatum: 31 Oktober 2008<<
(Quelle: http://www.efsa.europa.eu/EFSA/efsa_locale-1178620753824_1211902156394.htm)

Wenn man sich die Mühe macht und nicht nur die Zusammenfassung, sondern das ursprüngliche Dokument (s. u.) liest, stößt man darauf, dass hier Scheinargumente vorgebracht werden und der Verbraucher getäuscht wird.

Bedeutsam ist z.B. die Aussage >> ... kommt das GMO-Gremium zu dem Ergebnis, dass das vorgelegte Informationspaket im Zusammenhang mit den Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse enthält, die die früheren Risikobewertungen von Mais MON810 entkräften würden. ... <<.

Liest man das ursprüngliche Dokument, so stellt man überrascht fest, dass einige wesentliche Aspekte von der Bewertung von vornherein ausgeschlossen wurden:
>> ... The use and risk assessment of pesticides on conventional maize and any beneficial and socio-economic aspects related to the cultivation of maize MON810 fall outside the remit of the GMO Panel, and therefore these aspects are not addressed in this scientific opinion. Similarly, ethical concerns related to GM crops, concerns about the coexistence of maize cropping systems, and the definition of tolerance thresholds for the unintentional or technically unavoidable presence of approved GM material in non-GM crop products are not taken into account by the GMO Panel.

In relation to "biovigilance", the GMO Panel wishes to clarify that it gives its opinion on the scientific quality of post-market environmental monitoring activities proposed by applicants, whilst its final endorsement is done by risk managers.  <<


Zu Deutsch: >>Der Gebrauch und das Risikomanagement von Pestiziden von konventionellem Mais ebenso wie zusätzliche sozio-ökonomische Aspekte bezogen auf den Anbau von Mon810 fallen außerhalb des Auftrags des GMO Panel und daher werden diese Aspekte in dieser wissenschaftlichen Stellungnahme nicht berücksichtigt. Ebenso ethische Bedenken bezogen auf gentechnisch veränderte Ackerfrüchte, Bedenken bezügliche der Koexistenz von Maisanbau-Systemen und die Definition der Toleranzgrenzen für unbeabsichtigte oder technisch unvermeidbare Verunreinigungen von zugelassenem gentechnisch verändertem Material in gentechnikfreien Produkten, all dies wird vom GMO Panel nicht berücksichtigt.

Im Bezug auf "Biosicherheit" möchte das GMO Panel klarstellen, dass es seine Meinung äußert zur wissenschaftlichen Qualität der von den Anwendern vorgeschlagenen Umweltmonitoring-Aktivitäten nach der In-Verkehr-Bringung, während die endgültige Entscheidung von Risikomanagern gefällt wird.<<


Also mit anderen Worten: Alles, was nachteilige Auswirkungen für den gentechnikfreien Anbau, den Verbraucherschutz, den Pestizideinsatz oder die Koexistenz zwischen gentechnikfrei und genverändert betrifft, wird von vornherein ausgeblendet!
Trotzdem oder vielmehr gerade deswegen kommt die EFSA dann zu dem Schluss, >>dass keine neuen wissenschaftlichen Befunde vorliegen, die ein Verbot von Mon810 rechtfertigen würden<<.

Ja wo leben wir denn? Geht's noch? Wenn jeder sich seine Randbedingungen so zurechtdefiniert, dass Dinge, die ihm nicht ins Konzept passen, keine Rolle mehr spielen, kann ich natürlich gerne behaupten, >>dass die von Ihnen vorgelegten Daten keine neuen wissenschaftlichen Befunde enthalten ...<<.
Veröffentlicht wird in der Presse natürlich nur die Zusammenfassung mit eben dieser Behauptung. Dass man vorher alle relevanten Befunde als außerhalb der eigenen Zuständigkeit definiert hat, steht da nicht mehr drin.
DAS IST DIE EIGENTLICHE LÜGE. DEM LESER WIRD SO VORGEGAUKELT, ES GÄBE KEINE RELEVANTE BEFUNDE, WÄHREND MAN NUR ALLE RELEVANTEN BEFUNDE ALS AUßERHALB DER EIGENEN ZUSTÄNDIGKEIT DEFINIERT HAT.

Mir stellt sich da die Frage nach dem Sinn der EFSA. Ist das die Marketing-Abteilung von Monsanto & Co? Im übrigen befasst sich das GMO Panel ja nur mit der >>wissenschaftlichen Qualität der von den Anwendern vorgeschlagenen Umweltmonitoring-Aktivitäten nach der In-Verkehr-Bringung<<. Mit anderen Worten: Es geht in keiner Weise um Risiko-Management im Vorfeld, also vor der Freisetzung, sondern nur um begleitende Studien nach der In-Verkehr-Bringung. Also reines Marketing.


Zur Erläuterung:
Die EFSA ist eigentlich die Behörde zur Einschätzung von Risiken bei Lebensmitteln. Ihre Selbstdarstellung lautet folgendermaßen:
Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA)

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ist im Bereich der Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit der Grundpfeiler der Risikobewertung der Europäischen Union (EU). In enger Zusammenarbeit mit nationalen Behörden und offenem Austausch mit betroffenen Interessengruppen stellt die EFSA unabhängige wissenschaftliche Beratung zur Verfügung und kommuniziert deutlich und verständlich über vorhandene und aufkommende Risiken.
(Quelle: http://www.efsa.europa.eu/EFSA/efsa_locale-1178620753824_home.htm,  [Hervorhebungen von mir] )

Wenn die EFSA sich für ihre Einschätzungen auf die Beurteilung durch das GMO Panel verlässt, das wiederum alle relevanten Befunde als außerhalb ihrer Zuständigkeit definiert und nur die >>wissenschaftlichen Qualität der von den Anwendern vorgeschlagenen Umweltmonitoring-Aktivitäten nach der In-Verkehr-Bringung<< beurteilt und das Risikomanagement dabei explizit ausschließt, hat deren Aussage keinerlei Relevanz für die eigentlichen Risiken. Sie dient ausschließlich der Verbrauchertäuschung, weil man jetzt immer die "Expertise" oder vielmehr die Zusammenfassung davon vor sich hertragen kann und behaupten kann, >>dass das vorgelegte Informationspaket im Zusammenhang mit den Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse enthält, die die früheren Risikobewertungen von Mais MON810 entkräften würden<<.
Das ist Verbrauchertäuschung, weil behauptet wird, man hätte eine Risikoabschätzung gemacht, während in Wirklichkeit nichts davon passiert ist! Das einzige, was beurteilt wurde, sind die von Monsanto & Co eingereichten Unterlagen im Bezug auf "ihre wissenschaftliche Qualität" - was auch immer das heißen mag.

Wenn das GMO Panel nicht die Marketing-Abteilung von Monsanto & Co wäre und sich auch mit den Fragen der Koexistenz, der Auskreuzung usw. beschäftigen würde, müssten sie zu ganz anderen Aussagen kommen!

Daher muss man fordern, dass das GMO Panel geschlossen wird und eine UMFASSENDE Beurteilung von UNABHÄNGIGEN Fachleuten vorgenommen wird - und nicht nur die "wissenschaftliche Qualität" der Monsanto-Unterlagen!

Diethelm Schneider, Ökologie-Forum.de

Quellen:
Gutachten: http://www.efsa.europa.eu/EFSA/Scientific_Opinion/gmo_op_ej850_French_safeguard_clause_on_MON810_maize_en,2.pdf?ssbinary=true

Hier finden Sie den Beitrag als RTF-Datei: EFSA.rtf

Empfohlene Links (extern):


Quelle: http://oekologie-forum.de/Druckansicht_Lebensmittelbehrde-macht-sich-der-Verbrauchertuschung-schuldig_101.html