Eigentlich dürfen nach europäischem Recht keine Patente auf Pflanzen und Tiere sowie Züchtungsmethoden erteilt werden. Das Europäische Patentamt in München tut es trotzdem und verdient daran sehr gut. Dabei erstrecken sich die Patente auf die gesamte Kette der Lebensmittelerzeugung, vom Acker bis zum Verbraucher. So werden Bauern und Bevölkerung enteignet. Geld und Macht landen bei den Konzernen.
„Patentindustrie verhökert die Zukunft unserer Ernährung“
Neuer Bericht über Patent auf Saatgut und Aufruf zur öffentlichen Demonstration
23. Oktober 2013 Heute veröffentlicht die internationale Koalition Keine Patente auf Saatgut! einen neuen Bericht, der aufzeigt, dass das Europäische Patentamt in München (EPA) bislang bereits etliche Tausend Patente auf Pflanzen und Tiere erteilt hat, wobei eine steigende Anzahl auch Produkte aus der konventionellen Züchtung betrifft: Mehr als 7500 Patentanmeldungen auf Pflanzen und etwa 5000 Patentanmeldungen auf Tiere sind eingereicht, etwa 2400 Patente auf Pflanzen und 1400 Patente auf Tiere schon erteilt. Um die 120 vom EPA bereits erteilte Patente betreffen die konventionelle Züchtung, etwa 1000 weitere Anträge sind in dieser Kategorie eingereicht. Die Reichweite der Patente ist oft extrem und erstreckt sich auf die gesamte Kette der Lebensmittelerzeugung, vom Acker bis zum Verbraucher.
Die in jüngster Zeit erteilten Patente betreffen zum Beispiel „Erfindungen“ wie Paprika, die von wilden Sorten aus Jamaika abstammt, Tomaten, die in einer internationalen Genbank in Deutschland gelagert wurden, zufällige Mutationen bei Sonnenblumen und die Auswahl von wilden Verwandten der Sojabohne, die in Asien und Australien beheimatet sind.
„Die Industrie und das Patentamt haben das Patentsystem zu einem Werkzeug der systematischen Aneignung unserer Lebensgrundlagen gemacht, sie verhökern die Zukunft unserer Ernährung“, warnt Christoph Then, einer der Autoren des Reports. „Diese Entwicklung hemmt die Pflanzenzüchtung und gefährdet den Erhalt der agrarischen Vielfalt und die Anpassungsfähigkeit der Landwirtschaft in Zeiten des Klimawandels. Das betrifft sowohl die globale Nahrungssicherheit als auch die regionale Ernährungssouveränität.“
Nach dem Wortlaut der europäischen Patentgesetze dürfen Pflanzensorten, Tierarten sowie Verfahren zur Züchtung nicht patentiert werden. Mit seinen Entscheidungen hat das EPA – wie es scheint – absichtlich einen Zustand rechtlicher Absurdität geschaffen, der es möglich macht, entsprechende Patente dennoch zu erteilen. Damit bedient das EPA die Interessen von Konzernen wie Monsanto, Dupont und Syngenta, die zusammen bereits etwa 50 Prozent des internationalen Saatgutmarktes kontrollieren. Aber auch die Lobby der Patentanwälte und das EPA verdienen an der steigenden Zahl von Patenten. So hat das EPA im Jahr 2013 etwa 1,5 Milliarden Euro aus Patentverfahren eingenommen.
Der Bericht erscheint kurz vor einer wichtigen Anhörung am EPA in München am 27. Oktober. Viele Beobachter erwarten hier in den nächsten Monaten von der Behörde eine wegweisende Entscheidung. Doch die bisherigen Erfahrungen lassen vermuten, dass unabhängig davon, wie diese Entscheidung ausfallen wird, das EPA die Patentierung von Pflanzen und Tieren fortsetzen wird. Aus diesem Grund ruft de internationale Koalition Keine Patente auf Saatgut! zusammen mit anderen Organisationen am Tag der Anhörung zu einer öffentlichen Demonstration vor dem Patentamt in München auf und fordert ein Eingreifen der Politik, um Patente auf Pflanzen und Tiere zu stoppen. Die Koalition Keine Patente auf Saatgut! wird von Bionext (Niederlande), der Erklärung von Bern, Gene Watch UK, Greenpeace, Kein Patent auf Leben!, Misereor, Rete Semi Rurali (Italien), Réseau Semences Paysannes (Frankreich), Red de Semillas (Spanien), dem norwegischen Development Fund und Swissaid getragen. Unterstützt von mehreren Hundert weiteren Organisationen, setzt sich die Koalition gegen die Patentierung von Pflanzen und Tieren ein.
Weitere Informationen:
Christoph Then, Tel 0151 54638040, info@no-patents-on-seeds.org
Ruth Tippe, Tel 0173 1543409, rtippe@keinpatent.de
Der Bericht (PDF)