Saatgutbehandlung tötet Bienen

verfasst am 21.07.2008 von Diethelm Schneider

Bedrohung elementarer Ökosystem-Funktionen wird für Pharma-Profit in Kauf genommen - Stellungnahme zu den Vergiftungsfällen im Rheintal und der geplanten Wiederzulassung von Clothianidin

Obwohl man den Mais-Wurzelbohrer auch dadurch bekämpfen kann, dass man auf Flächen, auf denen gerade Mais geerntet wurde, als nächstes keinen Mais, sondern eine andere Feldfrucht anbaut, war der Einfluss der Agrochemie-Lobby (in diesem Falle Bayer CropScience) in Baden-Württemberg offenbar ausreichend, dass man die Politiker dazu bringen konnte, eine Verordnung zu erlassen, die vorschrieb , dass Mais-Saat nur noch nach Behandlung mit Clothianidin ausgebracht werden durfte.

Dass Clothianidin ebenso wie Imidacloprid ein starkes Insektengift (und Nervengift) ist und auf alle Insekten tödlich wirkt, ist lange bekannt. Genau das sollte es ja tun: Insekten umbringen. In den Augen der Pharma-Industrie sind Insekten und Schädlinge das gleiche. Dass Bienen als Nützlinge auch unter die Insekten fallen, ist eben Pech. Nur gut, dass die Bodenlebewesen, die dem Gift zum Opfer fallen, so klein sind, dass man sie mit bloßem Auge kaum sieht. So nimmt es kaum einer war und es gibt keine Beschwerden. Wenn sich der Zustand des Ackerboden deswegen verschlechtert, verkauft man dem Landwirt einfach noch ein paar zusätzliche Düngemittel - alles paletti.

Beim Ausbringen des mit Clothianidin behandelten Saatgutes kam durch den (bösen) Wind leider ein bisschen Abrieb auf die Blüten der Umgebung. Wenn nicht den Imkern die Bienen gestorben wären, hätte es keiner gemerkt.

Was auch keiner gemerkt hat (na ja, also bis auf ein paar Fachleute vielleicht) sind die Konsequenzen:
Clothianidin auf den Blüten bedeutet: Tod aller Blütenbesucher. Blütenbesucher sind eine ungeheure Fülle von Insekten, die alle eine bedeutende Rolle im Naturhaushalt spielen:
Neben der Honigbiene sind das nicht nur weitere 550 Wildbienenarten, die in Deutschland vorkommen, sondern auch zigtausende von Schlupfwespen, Lehmwespen, Grabwespen, Wegwespen, Papierwespen, Hornissen, Raupenfliegen, Schmetterlingen und weitere Insektengruppen. Alle zu diesen Gruppen gehörenden Insekten sind für die Eigenversorgung auf Nektar, d.h. auf Blütenbesuch angewiesen. Alle diese Insekten sind von diesen Vergiftungen betroffen!

Die Folgen sind absehbar: Nicht nur dass die Artenvielfalt abnimmt: Eine Vergiftung der Augenfalter führt zu einer Zunahme der Gräser und einer Abnahme der Blütenvielfalt auf den Wiesen, weil die Augenfalter-Raupen die Gräser nicht mehr in Schach halten. Eine Vergiftung der Schlupfwespen, Lehm- und Grabwespen führt zum Ausfall vielfältiger Regulationsmechanismen, die normalerweise die explosionsartige Vermehrung von Arten, die dann als Schädlinge auftreten können, verhindern. Das bedeutet, dass wir in der Folge vermehrt auftretende Schädlingskalamitäten beobachten werden.
Für die Agrochemie-Industrie ist das kein Verlust, weil sie dadurch ihren Absatzmarkt für Pestizide sogar noch vergrößern kann. 'Kollateralschäden' wie jetzt im Badischen kann man da schon mal in Kauf nehmen.

Aber es stimmt auch nicht, dass nur der Abrieb für die Blütenbesucher giftig ist. Neonicotinoide wie Clothianidin und Imidacloprid sind nämlich systemische Gifte, die von den Pflanzenzellen aufgenommen und beim Wachstum, d.h. der Zellteilung, auf die Tochterzellen verteilt werden. Für den Landwirt hat das den Vorteil, dass auch noch der Keimling und eventuell sogar noch die ausgewachsene Pflanze vor (Insekten-)Fraß geschützt ist. Für die Blütenbesucher hat das den Nachteil, dass auch im Pollen noch Spuren des Giftes zu finden ist. Auch wenn die Menge im Einzelfall nicht mehr ausreicht, um Insekten, die von dem Pollen fressen, unmittelbar zu vergiftet, hat es dennoch schwerwiegende Folgen. Zum Teil können das chronische Vergiftungen sein, also über einen längeren Zeitraum (die Agrochemie-Industrie fragt nur, ob innerhalb von 48 Stunden weniger als die Hälfte der damit behandelten Tiere sterben; dann ist es 'bienenfreundlich'!). Mindestens genauso wichtig ist aber die Wirkung auf das Bienengehirn: Die im Pollen vorhandenen Mengen reichen aus, um einen Bereich des Gehirns zu beeinflussen, der für das Lernen eine bedeutende Rolle spielt! Das bedeutet, dass Bienen, die diesen Pollen gefressen haben, nicht mehr in der Lage sind, neues zu lernen. Sie lernen also keine neuen Blütenformen mehr, auch keine neuen Wege! Bei den Wanderimkern in Nordamerika hat das schon zum massenhaften Ausbleiben der Sammelbienen geführt, weil diese nach Verbringung des Stocks an einen neuen Standort nicht in der Lage waren, neue Wege zu lernen und stattdessen versuchten, zum alten Standort zurückzufliegen.
Aber auch stationäre Imker sind betroffen, weil Larven, die mit kontaminiertem Pollen gefüttert wurden, auch nicht in der Lage sind später als Sammelbiene Flug- und Heimkehrrouten zu lernen, genauso wenig wie Blütenformen und Farben. Das wiederum bedeutet, dass es zeitverzögert auch hier Verluste gibt, wenn auch nicht so plötzlich und spektakulär wie bei den Wanderimkern.

In jedem Fall ist der Einsatz solcher Gifte unverantwortlich und muss verboten werden! Imidacloprid ist in Frankreich zum Beispiel schon lange verboten und Clothianidin wurde erst gar nicht zugelassen. Bei uns dagegen wird einfach behauptet, dass Saatgut und Bienen nicht miteinander in Berührung kommen und daher diese Insektengifte 'bienenungefährlich' seien.

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Externer Link auf ein Unterstützungsforumlar des Coordination gegen BAYER-Gefahren:

Bitte unterstützen Sie unsere Forderung nach einem Verbot von Imidacloprid und Clothianidin mit Ihrer Unterschrift online

Alternativ können Sie auch ein Formular als PDF herunterladen und ausdrucken:
Flugblatt_Bienensterben.pdf


Quelle: http://oekologie-forum.de/Druckansicht_Saatgutbehandlung-ttet-Bienen_82.html