Nationalpark - 'Perle des Naturschutzes'?

Aktuell ist immer wieder vom geplanten Nationalpark Siebengebirge die Rede. Doch was bedeutet 'Nationalpark' als Schutzstatus? Was sind die Ziele, was sind die rechtlichen Vorgaben?
Ist 'Nationalpark' besser als 'Naturschutzgebiet'?
Was ist ein 'Biosphärenreservat'?

Wenn Sie zu denen gehören, die schon lange nach klaren Aussagen suchen, dann dürfte unsere vergleichende ‹bersicht der verschiedenen Schutzkategorien genau das richtige für Sie sein. (s. Tabelle)

Sie werden dabei auch feststellen, dass es sehr von den vorhandenen Biotopen abhängt, welche Schutzkategorie sinnvoll ist. Und nicht jede Schutzkategorie ist auf jedes Biotop anwendbar, weil die Ziele sehr unterschiedlich sind.
Wenn Ihnen also in Zukunft jemand den Nationalpark als "Perle des Naturschutzes" verkauft, wissen Sie, dass er offenbar keine Ahnung hat.

Denn die verschiedenen Schutzkategorien verfolgen z.T. ganz unterschiedliche Ziele, die nicht sinnvoll auf ein und das selbe Biotop anwendbar sind.

Während Naturschutzgebiete für jedes Biotop maßgeschneidert werden, weil man bestimmte Arten und ihre Lebensräume erhalten will, haben Naturparks das Ziel, ein als schön empfundenes Landschaftsbild zu erhalten und dieses für den Tourismus zu nutzen. Naturparks schützen also keine bestimmten Arten oder Lebensräume, sondern dienen in erster Linie dem ästhetischen Empfinden des Menschen und der Förderung des (nachhaltigen) Tourismus. Landschaftsschutzgebiete sind die kleinere Ausgabe von Naturparks.

Anders als ein Naturpark hat das Biosphärenreservat die 'Erhaltung, Entwicklung oder Wiederherstellung einer durch hergebrachte vielfältige Nutzung geprägten Landschaft und der darin historisch gewachsenen Arten- und Biotopvielfalt, einschließlich Wild- und früherer Kulturformen wirtschaftlich genutzter oder nutzbarer Tier- und Pflanzenarten' zum Ziel. Wie das Naturschutzgebiet beinhaltet das Biosphärenreservat also den Arten- und Biotopschutz, legt aber außerdem einen weiteren Schwerpunkt auf die Erhaltung der Vielfalt überlieferter Nutzpflanzen und Nutztiere. Naturgemäß muss das Biosphärenreservat daher eine gewisse Mindestgröße haben, während ein Naturschutzgebiet auch sehr kleinräumig sein kann.

Von allen anderen Schutzkategorien unterscheidet sich der Nationalpark am meisten, weil er versucht etwas herzustellen, das es in unserer dicht besiedelten Landschaft fast nicht mehr gibt: Eine Natur ohne den aktuellen Einfluss des Menschen. Man will damit Flächen schaffen, in denen sich eine 'Wildnis' entwickeln kann. Besonders für die Wissenschaft ist es interessant zu dokumentieren, wie sich im Laufe der Entwicklung die Artenzusammensetzung ändert, welche Zeiträume diese Entwicklungen in Anspruch nehmen und ob die beobachteten Ergebnisse mit den Modellberechnungen übereinstimmen.
Was der Nationalpark ausdrücklich NICHT zum Ziel hat, ist der Schutz bestimmter Arten. Das ist von großer Wichtigkeit. Denn Arten, die wir heute an einer bestimmten Stelle finden, kommen dort nicht vor, weil sie schon immer dort vorkamen. Vielmehr zeigen sie bestimmte Lebensraumeigenschaften an, weil sie auf diese angewiesen sind. Ebenso zeigen sie aber auch die Geschichte einer Landschaft, weil z.B. dieser Lebensraumtyp zwar ürsprünglich natürlich entstanden ist, später aber durch die Pflege des Menschen bzw. Nutzung erhalten wurde. Dies gilt insbesondere für Offenlandbiotope.
Dies wird gerne übersehen, führt aber dazu, dass in Offenlandbiotopen 'Natur, die sich selbst überlassen' wird, ihre Besonderheiten und ihre Artenvielfalt verliert. Stattdessen setzt eine Entwicklung zu einer Waldgesellschaft ein, deren Zusammensetzung vor allem boden- und wärmeabhängig ist.
Was auch gerne übersehen wird: Da in unserer mitteleuropäischen Landschaft die natürlichen Landschaftspfleger - Wisent, Wildpferde, Auerochsen, [Wollnashorn,...] - und ihre Regulatoren - Bär, Wolf, Luchs, [Löwe,...] - nicht mehr vorkommen, ist diese Entwicklung zwangsläufig. Dagegen ist davon auszugehen, dass vor der Ausrottung dieser Großsäuger der 'Wald' einen Flickenteppich darstellte, der nie wirklich großräumig nur geschlossener Hochwald war.
Beim Experiment Nationalpark beschränkt man sich heute quasi auf einen Ausschnitt dieser 'Urlandschaft', der Großsäugern unzugänglich war d.h. außerhalb ihres Einflussbereiches lag. Deshalb verschwinden Offenlandbiotope dort oder werden sehr stark dezimiert.
Das wiederum bedeutet, dass die Schutzkategorie 'Nationalpark' für Landschaften, die sich durch viele Offenlandbiotope auszeichnen (Felsen, Schutthalden, Teiche, Trockenmauern, Weinberge, Weinbergsbrachen, Trockenrasen, Feuchtwiesen, ...), ungeeignet sind, wenn man die Artenvielfalt weiter erhalten will. Als großflächige Schutzkategorie für diese Biotope kommt nur das Biosphärenreservat in Frage.

Am 05.08.2008 von Diethelm Schneider verfasst.