Wie Agrochemie-Konzerne ihre Marktmacht durchsetzen

Die Vielfalt der heimischen Landwirtschaft ist bedroht, wenn der EU-Rat dem geplanten neuen Patentrecht zustimmt.

Dazu ein Beitrag aus der taz:

TAZ.DIE TAGESZEITUNG 
DONNERSTAG, 22. DEZEMBER 2011 

Bauern: Geplantes EU-Patent schadet Verbrauchern

 ERNÄHRUNG Verband warnt davor, dass patentreiche Konzerne wie Monsanto mehr Macht bekämen 

 BERLIN taz I Der Justizausschuss des EU-Parlaments hat ein neues Patentrecht gebilligt, das die Vielfalt von Nutzpflanzen und -tieren reduzieren könnte. Die Abgeordneten hätten einen einheitlichen Patentschutz in der Europäischen Union beschlossen, sagte der Berichterstatter der Sozialisten, Bernhard Rapkay, am Mittwoch der taz. "Das Züchterprivileg kommt darin überhaupt nicht vor." 

 Bisher dürfen Züchter etwa nach deutschem Recht auch mit patentierten Pflanzen und Tieren neue Sorten und Rassen entwickeln, wenn sie dafür Gebühren zahlen. Nach dem geplanten EU-Recht brauchen sie dafür die Erlaubnis des Patentinhabers - das sind oft Konzerne wie Monsanto oder Syngenta. Wenn das Plenum des Parlaments wie erwartet im Februar zustimmt, werden also wahrscheinlich weniger Züchter mit den Pflanzen und Tieren arbeiten können. 
 
,Wir befürchten, dass die Verordnung den Züchtungsfortschritt behindert'", warnte Rechtsexpertin Inken Garbe vom Deutschen Bauernverband. Dabei müsse Saatgut dringend an den Klimawandel angepasst werden. Zudem gebe es für den Verbraucher weniger Vielfalt auf dem Teller. 
 
Künftig will die EU den Bauern nur noch die Vermehrung patentierter Pflanzen erlauben. Auch die Auskreuzungsregel der Bundesrepublik will sie nicht übernehmen. Monsanto könnte also einen Bauern verklagen, weil auf seinem Feld patentgeschützte Pflanzen wachsen - auch wenn das Saatgut nicht vom Bauern selbst ausgesät, sondern vom Wind von einem Nachbarfeld herübergetragen wurde. Vorbild könnte Monsantos Klage gegen den kanadischen Farmer Percy Schmeiser sein. 

Weniger Bürokratie

 Dennoch begrüßte der EU-Abgeordnete Rapkay die Entscheidung des Justizausschusses. Für ihn steht im Vordergrund, dass nach den geplanten Regeln Patente des Europäischen Patentamts nicht mehr in jedem einzelnen EU-Staat validiert und übersetzt werden müssen. "Das neue EU-Patent bedeutet weniger Bürokratieaufwand",  erklärte der SPD- Politiker.  

Der Bauernverband hofft nun, dass der EU-Rat auf Drängen etwa Deutschlands oder der Niederlande doch noch Ausnahmen für Landwirte und Züchter in der neuen Verordnung verankern lässt. Die Regeln können nur in Kraft treten, wenn das Gremium der Mitgliedstaaten zustimmt. Parlamentsvertreter Rapkay sagt dazu: "Wenn der Rat einen Vorschlag macht, hier nachzubessern, wird es nicht an uns scheitern." JOST MAURIN 


Bisher  gibt es in den jeweiligen Länder eine große Vielfalt traditioneller und neu gezüchteter Sorten, meist ohne jedes Patent, allenfalls mit Sortenschutz. Bisher haben Landwirte Sorten selber nachziehen können, d.h. von der Ernte einen Teil einbehalten und wieder ausgebracht. Dadurch erfolgte außerdem eine Anpassung an lokale Gegebenheiten (Böden, Lokalklima).
 
Wenn die EU jetzt nur noch patentiertes Saatgut zulassen will, werden Landwirte zu Anbausklaven degradiert, die nur noch gegen Bezahlung Saatgut für jeweils eine Ernte anbauen dürfen. Durch den Zwang zum Neukauf und die Patentgebühren werden viele Bauern aufgeben, weil sich das finanziell nicht mehr lohnt.
 
Das Höfesterben und die Monotonisierung der landwirtschaftlichen Flächen wird dann mit Riesenschritten vorangehen.
 
Das kann weder im Sinne der Landwirte noch der Verbraucher sein.
 
Darum muss sich Widerstand dagegen artikulieren. Das ist ein wichtiger Grund mehr, an der Demo zu Landwirtschaft und Ernährung am 21.1.12 in Berlin dabei zu sein.
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Lesen Sie dazu auch folgenden Beitrag:

Saatgutrecht und Biologische Vielfalt


Am 30.12.2011 von Diethelm Schneider verfasst.