Warum Unkrautvernichtungsmittel wirkungslos werden

verfasst am 22.01.2014 von Diethelm Schneider

Unter dem Titel 'Gentechnik lässt Unkraut wuchern' berichtet inzwischen sogar das Handelsblatt von zunehmend resistenten Ackerunkräutern, die mit Spritzmitteln nicht mehr in den Griff zu bekommen sind.

Landwirtschaft
Gentechnik lässt Unkraut wuchern

20.01.2014, 18:03 Uhr

In  den USA droht eine Krise in der Landwirtschaft: Super-Unkräuter zeigen  sich resistent gegen Vernichtungsmittel. Das liegt offenbar am  Zusammenspiel mit gentechnisch manipulierten Pflanzen. Es droht ein  Teufelskreis.

Im Zusammenspiel zwischen gentechnisch manipulierten Pflanzen und Unkrautgiften hat sich ein Super-Unkraut herausgebildet, das resistent gegen Vernichtungsmittel ist. Quelle: dpa
Im  Zusammenspiel zwischen gentechnisch manipulierten Pflanzen und  Unkrautgiften hat sich ein Super-Unkraut herausgebildet, das resistent  gegen Vernichtungsmittel ist. Quelle: dpa

New York | Auf  den Baumwoll-, Soja- und Maisfeldern in den USA breiten sich sogenannte  Super-Unkräuter aus, die vollkommen resistent gegen  Unkrautvernichtungsmittel sind. Gentechnik-Gegner und einige  Wissenschaftler machen gentechnisch veränderte Pflanzen für dieses  Phänomen verantwortlich. „Die Vereinigten Staaten steuern auf eine Krise  zu“, warnte eine im September im Wissenschaftsmagazin „Science“  veröffentlichte Studie.

In einigen Regionen des Landes  wüchsen die Unkräuter, die resistent gegen das Unkrautvernichtungsmittel  Glyphosat seien, schon auf einem Großteil der Felder. Diese Kulturen  basieren in den USA zu 90 Prozent auf gentechnisch verändertem Saatgut.  In einer vor knapp einem Jahr veröffentlichten Umfrage des  Marktforschungsbüros Stratus gaben 49 Prozent der befragten Landwirte  an, 2012 Glyphosat-resistente Unkräuter auf ihren Flächen gefunden zu  haben. Das war ein Anstieg um 34 Prozent binnen eines Jahres.

Glyphosat ist das weltweit am häufigsten eingesetzte Pflanzengift. Der US-Konzern Monsanto entwickelte es in den 70er Jahren und vertreibt es heute unter dem Namen Roundup. Die Konkurrenz hat andere Namen dafür.

Für  die Ausbreitung der Super-Unkräuter weist die mächtige Saatgutindustrie  jede Verantwortung zurück. Eine Sprecherin von Monsanto, das 1996 das  erste gegen Glyphosat resistente Saatgut auf den Markt brachte, betont,  dass es schon vor den ersten gentechnisch veränderten Organismen (GVO)  Unkraut gegeben habe, das resistent gegen Pflanzengift gewesen sei. Auch  ein Sprecher des US-Landwirtschaftsministeriums bestätigt, dass es das  Phänomen schon „seit Jahrzehnten“ gebe und dies eine Folge der  Entwicklung sei: „Die Pflanzen betreiben eine natürliche Selektion, um  mit der Zeit resistenter zu werden.“

Bill Freese vom Zentrum für  Lebensmittelsicherheit, einer Gentechnik ablehnenden  Nichtregierungsorganisation, gibt aber zu bedenken, dass es zwar das  Problem der Resistenz schon vor gentechnisch verändertem Saatgut gegeben  habe – sich dieses aber mit dessen Verwendung „stark beschleunigt“  habe. Diese Meinung teilt auch Charles Benbrook vom Zentrum für  nachhaltige Landwirtschaft und erneuerbare Ressourcen an der Washington  State Universität. Auf den Feldern seien seit der Einführung  gentechnisch veränderten Saatguts größere Mengen an Pflanzengift  eingesetzt worden. Erst dies habe zu der Glyphosat-Resistenz geführt.

Landwirte in einem Teufelskreis

Eine  auf der Website des Gentech-Herstellers Pioneer veröffentlichte Studie  stellt ebenfalls fest, dass das Problem zuallererst in Gebieten  aufgetaucht sei, in denen Glyphosat über mehrere Jahre mehrmals in einer  Saison gespritzt wurde. Das US-Landwirtschaftsministerium betont, und  dies bestätigen die Wissenschaftler, dass nicht das gentechnisch  veränderte Saatgut an sich die Ursache der Super-Unkräuter sei, sondern  „die von den Landwirten gewählten Praktiken“, die das von Monsanto und seinen Konkurrenten vertriebene System von gentechnisch verändertem Saatgut plus Glyphosat umgesetzt hätten.

„Die Bauern haben sich zu stark auf den Glyphosat-Pflanzengiften  in Verbindung mit GVO ausgeruht“, heißt es in einer vor zwei Jahren  veröffentlichten Studie in der Zeitschrift „BioSciences“. Ein Sprecher  des Agro-Chemiekonzerns Dow sagt, die Landwirte hätten Glyphosat  „übermäßig angewendet“, weil die „keine bessere Alternative“ dazu  gesehen hätten.

Wissenschaftler Benbrook spricht von  einem Teufelskreis: Denn angesichts der Super-Unkräuter hätten die  Landwirte den Einsatz von Pflanzengiften „um rund 25 Prozent pro Jahr“  erhöht. In den USA rechneten viele Experten damit, dass die Zulassung  von Saatgut, das gegen mehrere Pflanzengifte resistent sein soll, die  Anwendung von Unkrautvernichtungsmitteln um mindestens 50 Prozent  ansteigen lassen wird. Derweil machen sich auf den Feldern in den USA  schon Unkräuter breit, denen gleich mehrere Pflanzenschutzmittel nichts  anhaben können.

Quelle: http://www.handelsblatt.com/technologie/das-technologie-update/healthcare/landwirtschaft-gentechnik-laesst-unkraut-wuchern/v_detail_tab_print/9359522.html

Wie ist das nun mit dem Gift und den Superunkräutern? Welche Rolle spielt die Gentechnik dabei? Und warum war genau diese Entwicklung schon lange vorhersehbar?

Die Pflanze

Jede Pflanze (jedes Lebewesen) steht mit seiner Umgebung in Wechselwirkung. So bestimmen Bodenart, Nährstoffgehalt, Wasserverfügbarkeit, Überschwemmungsdauer, Häufigkeit der Bodenbearbeitung sowie Wärme und Licht, welche Arten an einer Stelle wie gut wachsen können. Sie selektieren unter eventuell vorhandenen Keimlingen diejenigen aus, die mit genau diesen Faktoren zurecht kommen. Man nennt sie daher Selektionsfaktoren und den Vorgang Selektion. Je stärker ein Selektionsfaktor begrenzend auf das Vorkommen wirkt, desto stärker ist die Selektion.

Das Gift

Auch Spritzmittel sind ein Selektionsfaktor. Und zwar ein sehr starker. Der überwiegende Teil der Pflanzen wird abgetötet. Allederings gibt es aufgrund der natürlich vorhandenen Variabilität des Genmaterials (Mutation, Rekombination) einer Population immer ein paar wenige, die Veränderungen mitbringen (sogenannte Präadaptationen), die das Gift unwirksam machen.

Diese resistenten Pflanzen können sich jetzt angsichts fehlender Konkurrenz massenhaft ausbreiten. Je stärker die Selektion, desto leergefegter die ökologische Nische, desto stärker kann sich diese Pflanze ausbreiten.

Je höher also der Spritzmitteleinsatz ist, desto schneller gibt es flächendeckend resistente Unkräuter.

Die Gentechnik

Die Gentechnik ist nicht ursächlich für das Auftreten resitenter Unkräuter. Da Gentechnik aber häufig dazu eingesetzt wird, Feldfrüchte resistent gegen Spritzmittel zu machen, werden diese Spritzmittel nicht mehr nur vor der Saat, sondern auch auf den wachsenden Bestand angewendet. Häufigerer Spritzmitteleinsatz stellt einen stärkeren Selektionsfaktor dar, das wiederum führt zu deutlich schnellerer Ausbreitung resistenter Unkräuter. Deswegen treten die Superunkräuter auf Gentechnikäckern zuerst flächendeckend auf.

Vorhersehbarkeit

Weil Ökologen diese Zusammenhänge schon lange kannten, war diese Entwicklung auch vorhersehbar. Von Vertretern der Gentechnikindustrie wurde diese Problematik immer geleugnet bzw. behauptet, mit dem richtigen Management könnte die Resistenzbildung verhindert werden. Nur: Wie sähe das richtige Management aus? Die Bauern müssten breite Streifen der gleichen Feldfrucht rundum spritzmittelfrei anbauen, damit dort keine Selektion auf Resistenz stattfindet und genetisch immer eine Durchmischung des Erbguts resistenter mit dem nichtresistenter Unkräuter stattfindet. Die versprochene höhere Ernteausbeute müsste man so wieder für die Vermeidung der Resistenzbildung opfern.

Schlussfolgerung

Pestizide stellen keine langfristige Strategie zur Bekämpfung von Unkräutern oder Schädlingen dar. Ein hoher Input an Gift und Kosten schaft neue Probleme, die wieder mit neuem Gift und neuen Kosten bekämpft werden. Für den Bauern ergibt sich eine steigende Kostenspirale ohne steigende Erträge.

Ein nachhaltige und beherrschbare Landwirschaft stellt nur der spritzmittelfreie, kleinbäuerliche und reich strukturierte Ökolandbau dar.


Siehe auch:

Zu wenig Bestäuber?

Gentechnik-Pflanzen in vielen Ländern außer Kontrolle

Neue Superschädlinge auf dem Acker?

Verlust der Biologischen Vielfalt - Pestizide sind Hauptursache

Der Maiswurzelbohrer und die Gentechnik

Saatgutbehandlung tötet Bienen


Quelle: http://oekologie-forum.de/Druckansicht_Warum-Unkrautvernichtungsmittel-wirkungslos-werden_238.html