Die EFSA und das GMO-Panel - der Blinde Fleck

Dass die EFSA bei Anbauzulassungen keine Risiko-Abschätzung macht - anders als auf der Homepage suggeriert -, sondern sich nur auf die Zusammenfassung des GMO-Panel stützt, der wiederum jede Risiko-Abschätzung bezüglich Umwelt, Koexistenz und sozialer Auswirkungen von seinen Stellungnahmen ausschließt, haben wir bereits in dem Beitrag 'Lebensmittelbehörde macht sich der Verbrauchertäuschung schuldig' dargelegt.
Aus Anlass der Neuzulassung weiterer GVO durch die EFSA - diesmal nur als Futter- und Lebensmittel - wollte ich wissen, wie die Papiere der EFSA dazu aussehen.

Weil die Zulassung nur für Futter- und Lebensmittel erfolgte und keine Kultivierung vorgesehen ist, war meine Erwartung, dass die Argumentation der EFSA plausibel und hieb- und stichfest sein würde. Damit es noch klarer sein würde, begann ich mit der Stellungnahme zur Baumwolle.
Stellungnahme der EFSA als PDF

Zu meiner großen Überraschung musste ich feststellen, dass es auch hier sehr wohl Befunde gibt, die zumindest intensiverer Untersuchungen bedürften und in einem Fall Allergien sogar wahrscheinlich machen. Was die EFSA dem entgegensetzt? Ausschließlich ihre Erwartung, dass man mit keinen Auswirkungen rechnet.

Beispiele:

"It seems likely that the T-DNA of cotton GHB614 was inserted near a protein coding gene of unknown function. However, there are no indications from comparative agronomic performance and compositional analyses of any unintended effect caused by the insertion."
Das eingeschleuste Gen wurde also in der Nähe eines Protein kodierenden Gens unbekannter Funktion eingefügt. Dass die Einfügung keine unerwünschten Effekte hat, schließt man aus Wachstumsvergleichen und einer "Zusammensetzungsanalyse". Wenn wir weiter unten im Text nachsehen, was in der "Zusammensetzungsanalyse" untersucht wurde, finden wir: Hauptinhaltsstoffe, Störstoffe und Toxine. Im einzelnen wurden analysiert:
Wassergehalt, Gesamtfettgehalt, Gesamtproteingehalt, Asche, Gesamtkohlenhydrate, säurelösliche Fasern, neutrallösliche Fasern, 18 Aminosäuren, 10 Fettsäuren, Mineralien, Vitamin E, Störstoffe (Phytinsäure und zyklopropenhaltige Fettsäuren) und das Gift Gossypol.
Achtung! Was wurde nicht untersucht? Genau: die Zusammensetzung der Proteine (nicht die Aminosäuren, sondern welche Proteine in welchen Anteilen vorhanden sind). Das wäre aber Voraussetzung, um mögliche unerwünschte Effekte auf benachbarte Proteingene nachweisen zu können!

Ein weiterer Punkt:
       
2.2.3.2. Putative cryptic open reading frames  

Open reading frame (ORF) and gene search tools were applied to predict the presence of potential newly created coding sequences both in the 5-prime flanking genomic/insert DNA junction region and in the insert/3-prime flanking genomic DNA junction region. Fourteen newly created ORFs were found that span the 5-prime and 3-prime junctions. In the unlikely event that the putative ORFs would be translated, bioinformatics analysis indicated that their putative translation products have no homology with any known toxins or allergens. 

 
  Offene Leseraster (Open Reading Frames) sind Bedeutungsverschiebungen der kodierenden Sequenz, die dadurch zustande kommen können, dass der Start der Ablesung der kodierenden Sequenz verschoben wurde. Der Bedeutungswandel ergibt sich dann, wenn nicht 3 Basenpaare (oder ein Vielfaches von 3), sondern 1 oder 2 Basenpaare (oder ein Vielfaches davon, sofern es nicht durch 3 teilbar ist) eingefügt oder entfernt wurden. 3 Basenpaare werden immer als 1 Aminosäure abgelesen. D.h. eine Einfügung oder Entfernung von 3 Basenpaaren ergibt ein Protein mit genau 1 Aminosäure mehr oder weniger. Von 3 abweichende Einfügungen oer Entfernungen von Basenpaaren verschieben die Ablesung der Tripletts und ergeben so ganz neue Ergebnisse.
Die EFSA hat immerhin 14 (! in Worten: vierzehn) mögliche neue Leseraster gefunden. Das würde uns erwarten lassen, dass auch 14 neue Proteine entstehen können. Unbekannte Proteine können Anlass für eine  Allergie sein.
Wie stuft die EFSA das ein? Sie sagt: Selbst in dem Fall, das diese Leseraster transkribiert würden, hätte das keine Auswirkungen, weil die entstehenden Proteine keinem bekannten Toxin oder Allergen entsprechen.
Achtung! Haben Sie es bemerkt? Keinem bekannten Toxin oder Allergen! Das bedeutet keineswegs, dass das keine toxisch oder allergen wirkenden Proteine sein können!

Fazit:
Offensichtlich will man bei der EFSA mögliche Probleme gar nicht wahrnehmen. Mit einem Taschenspielertrick wird uns vorgemacht, es gäbe auch gar keine Befunde.
Und in der Zusammenfassung steht dann sowieso immer das übliche.

Am 20.05.2015 von Diethelm Schneider verfasst.