Wie die Industrie CO2 spart
Für den 29. Mai 2010 ist ein dezentraler Aktionstag zum Klimaschutz geplant.
Die Aktiven bei www.klimawelle.de haben dafür ein Theaterstück entwickelt.
Was als Zuspitzung und Satire gedacht war, stellt sich jetzt als Realsatire heraus.
Theaterstück
Wie die Industrie CO2 spart
Requisiten:
Herren in Anzügen und Zylinder, vervielfältigte
Zertifikate, Gasmaske
Ansprache der Herren in Anzügen:
Firmenchef:
"Wir von der Industrie sehen uns als Innovations- und Wachstumsmotor. Ohne Wachstum gibt es keinen Wohlstand und keine Arbeitsplätze, damit auch keinen Konjunkturaufschwung.
Sie verstehen daher sicher, dass es eine umweltpolitische Einschränkung für die Industrieproduktion nicht geben darf. Wir benötigen weiterhin ausreichende Mengen Energie, die kurzfristig nur mit neuen Kohlekraftwerken zur Verfügung gestellt werden können.
Wer uns jetzt kritisiert, hat nicht verstanden: Selbstverständlich kümmern auch wir uns um das Wohl unseres Planeten und wollen eine Klimakatastrophe verhindern. Deshalb fördern wir Kohlekraftwerke mit CO2-Abscheidung (CSS). Das CO2 aus der Kohleverbrennung wird dabei physikalisch-chemisch aus der Abluft isoliert, um es dann irgendwie lagerfähig zu machen.
Langfristig wollen wir damit CO2-freie Kohlekraftwerke betreiben.
Kurzfristig ist diese Technik allerdings noch nicht anwendungsfähig. Wir wollen trotzdem jetzt schon CO2 einsparen. Deshalb waren unsere Ingenieure kreativ und können Ihnen heute eine Lösung anbieten: Wir verkaufen CO2-Zertifikate an Sie, die Bevölkerung. Durch Ihren Kauf helfen Sie uns, unseren Beitrag zu mehr Klimaverantwortung und Klimagerechtigkeit zu leisten."
Ingenieur:
"Wer ein grünes Gewissen hat, kauft unsere CO2-Zertifikate. Dafür darf der Einzelne eine bestimmte Jahresmenge CO2 produzieren. Die Einnahmen der Zertifikate investieren wir in die weitere Erforschung der CO2-Abscheidung.
(
Hält eine Gasmaske hoch) Innovativ ist auch unser CO2-Zähler, den wir zu den Zertifikaten zum Leasing anbieten. So kann jeder Zertifikat-Inhaber stets überprüfen, ob er schon sein Kontingent an CO2 veratmet hat und gegebenenfalls Zertifikate nachkaufen.
Rechtzeitig vor Erreichen des Kontingents weist unser CO2-Zähler darauf hin und fordert dazu auf, ein neues Zertifikat zu erwerben oder die Lebensweise auf weniger Energieverbrauch umzustellen - zum Beispiel durch Aufgabe von sportlicher Betätigung und Verlangsamung des Stoffwechsels.
Auch eine Gewichtszunahme ist eine Form der CO2-Speicherung.
Langfristig wollen wir erreichen, dass unser CO2-Zähler für alle Menschen verpflichtend wird.
Das ist unser Beitrag zur mehr Klimaverantwortung und Klimagerechtigkeit."
(Diethelm Schneider)
Soweit das Theaterstück.
Recherchen zur individuellen CO2-Produktion führten zum
CO2-Rechner des Umweltbundesamtes. Wenn Sie dort die Berechnung starten, erhalten Sie folgendes Bild:
Unter dem völlig harmlos klingenden Titel 'öffentliche Emissionen' wird Ihnen hier ein 'Emissions-Grundstock' mit einberechnet, den 'der Staat' verursacht und daher unvermeidlich erscheint.
Denken wir doch mal einen Augenblick nach, was hier gerade passiert: Sie und ich, wir als Bürger dürfen als Einzelpersonen einsparen, was der Staat verursacht. Was bedeutet das? Dass für den Staat (Verwaltung, Fuhrpark, Dienstreisen, Infrastruktur etc.) keinerlei Anreiz besteht in sparsame, energieeffiziente und nachhaltige Ausstattung zu investieren, weil die Mehrkosten für die Energieverschwendung der Bürger trägt! Darüber hinaus bedeutet das, dass das Unterschreiten von 2,5 t CO2 pro Jahr für den Einzelnen fast unerreichbar wird, denn die Hälfte davon machen ja schon die 'öffentlichen Emissionen' aus.
Diese Form des CO2-Sparens erscheint mir vergleichbar mit einem Wasserversorger in einem Trockengebiet, der seine Kunden auffordert Wasser zu sparen, damit es für alle reicht, während der Großteil des Wassers aufgrund maroder Leitungen unterwegs versickert.
Aber es geht noch weiter: Was im Theaterstück als Zuspitzung gedacht ist ("Auch eine Gewichtszunahme ist eine Form der CO2-Speicherung.") scheint uns der CO2-Rechner ernsthaft vorschlagen zu wollen:
Unter 'Tätigkeit' stehen zur Auswahl:
Unter 'Sport' wird uns zur Auswahl angeboten:
Wenn Sie ein bisschen herumprobieren werden Sie feststellen, dass Sie CO2 sparen können, wenn Sie 'sehr inaktiv' und 'kein Sport' auswählen!
Da sind wir schon ganz nah am CO2-Zähler für die Atemluft, die bei Überschreiten des Kontingents die Luftzufuhr abstellt. "Stellen Sie die Transpiration ein."
Früher gab's sowas nur im Kabarett. Heute scheint man dem Bürger alles verkaufen zu können, ohne dass er etwas merkt!
Es kann doch nicht sein, dass man das, was jeder einzelne natürlicherweise als lebendes Wesen veratmet, auf die technischen Emissonen anrechnet! Nach dieser Logik müssten wir die gesamte belebte Welt zu Aktivkohle machen und vergraben. Das CO2-Problem wäre damit aber immer noch nicht gelöst, weil die Industrie (inklusive Verkehr etc.) weiterhin CO2 produziert.Lassen Sie sich nicht weiter für blöd verkaufen! Werden Sie aktiv! Zeigen Sie den Politikern, dass es so nicht geht!Beteiligen Sie sich am dezentralen Aktionstag am 29.5.10!Kommen Sie zur zentralen Demo in Bonn am 5.6.10!