Gentechnische Veränderungen und natürliche Mutationen - ist das nicht das selbe?

Von Befürwortern der Gentechnik wird gerne behauptet, Gentechnische Veränderung sei nichts anderes als traditionelle Züchtungsmethoden, nur mit anderen Mitteln. Und überhaupt, Genveränderungen kämen auch in der Natur vor, das sei etwas ganz natürliches.
Wir wollen heute untersuchen, wo die Unterschiede liegen.

Als erstes wollen wir die Situation betrachten, wenn in einer Pflanze auf natürliche Weise ein neues Gen entsteht, und welche Schritte bis zu seiner Etablierung stattfinden.
Danach vergleichen wir das mit Gentechnischen Veränderungen.

Nehmen wir an, bei einer Pflanze X einer bestimmten Art würde bei der Reduktionsteilung (Meiose) durch Rekombination ein neues Gen entstehen. Nehmen wir weiter an, die Eizelle wird von einem Pollenschlauch von Fremdpollen (also von einer anderen Pflanze der gleichen Art) befruchtet und bildet einen Samen. Der entstehende Embryo ist diploid (mit doppeltem Chromosomensatz) und heterozygot bezüglich des veränderten Gens, d.h. es ist nur eine Kopie des veränderten Gens vorhanden.

Nehmen wir weiterhin an, der Samen würde nicht gefressen bzw. vernichtet, sondern keimt an geeigneter Stelle aus. Wir gehen außerdem davon aus, dass das veränderte Gen keine negativen Nebeneffekte hat, die das Ãœberleben des Keimlings benachteiligen. Um die Sache anschaulich zu machen, nehmen wir an, das veränderte Gen würde die Genießbarkeit für bestimmte Fressfeinde, z.B. Schmetterlingsraupen, beeinflussen, z.B. indem es für eine härtere Cuticula oder die Bildung eines bestimmten Proteins sorgt.

Wenn die Auswirkung des Gens rezessiv ist, das heißt wenn zum Ausbilden des Merkmals zwei Genkopien vorliegen müssen, wird sich der Besitz des neuen Merkmals zunächst noch nicht auswirken. Dann hängt es von vielen Zufällen oder stochastischen Prozessen ab, wie die weitere Verbreitung des Gens von statten geht: Wie viele Nachkommen erhalten das Gen (die Wahrscheinlichkeit für jede Eizelle beträgt 0,5)? Wird die Eizelle von Eigenpollen oder von Fremdpollen befruchtet? Wie gut sind die Bedingungen für Samenausbreitung und Keimung in der Umgebung der Mutterpflanze? Kommen die Tochterpflanzen, die das Gen tragen, zur Blüte (Umweltbedingungen, Fressfeinde)? Ist ein Pollenaustausch zwischen den gentragenden Pflanzen gewährleistet (Wind, Insekten, ...)?

Erst bei der nächsten Generation würden wir durch Rückkreuzung homozygote Pflanzen erhalten, bei denen das Merkmal zur Ausbildung kommt.

Wir haben dann den gleichen Effekt wie im Falle von heterozygoten Pflanzen, wenn die Auswirkung des Gens dominant ist. Durch das Merkmal (dickere Cuticula oder gebildetes Toxin) wird ein Selektionsdruck auf die auf diesen Pflanzen fressende Population einer Art (auf die wir uns hier zunächst beschränken) ausgeübt. Anfällige Individuen oder solche mit schwächeren Mundwerkzeugen werden nur noch auf Pflanzen ohne das neue Gen überleben und sich fortpflanzen. Auf den Pflanzen mit dem neuen Gen werden diejenigen Individuen also indirekt bevorzugt, die einen besseren Verdauungsapparat oder eine geringere Anfälligkeit für das Toxin mitbringen. Dabei sollte man im Hinterkopf behalten, dass das räumliche Verteilungs-muster der Pflanzen mit verändertem Gen in etwa einer Zufallsverteilung gleichen wird (gleichmässige Keimungsbedingungen vorausgesetzt), die sich nach außen allmählich verliert. Ein Selektionsdruck auf die Fressfeinde besteht also nur im Kerngebiet des neuen Gens. Sollten sich die Pflanzen mit verändertem Gen zunächst ausbreiten und etablieren können, so kann der zunehmende Selektionsdruck auf die Fressfeinde (mit zunehmender Fläche der Pflanzen mit verändertem Gen) dazu führen, dass eine neue lokale Rasse entsteht, die mit den neuen Eigenschaften der veränderten Pflanze besser zurecht kommt. Das wiederum bedeutet, dass eine Pflanze, die durch Variation und Rekombination ein neues Merkmal erworben hat, nicht notwendigerweise ihre Fressfeinde verliert. Sie hat zwar vorübergehend einen Vorteil gegenüber Fressfeinden, solange ihre Verbreitung gering ist, aber mit zunehmender Zahl stellt sie selber einen Selektionsmechanismus für ihre natürlichen Feinde dar, die zu entsprechender Auswahl unter der natürlichen Variationsbreite der Eigenschaften dieser Fressfeinde führt.

Im Unterschied zum rezessiven Erbgang erfolgt bei einem dominanten Erbgang die Etablierung schneller, weil keine Rückkreuzungen notwendig sind.

Beim intermediären Erbgang, bei dem die Merkmale in abgeschwächter Form zur Ausbildung kommen, ist die Stärke des Selektionsdruckes gegenüber den Fressfeinden im Vergleich zum dominanten Erbgang nochmal abgestuft.

Wir fassen zusammen:

  1. Bei natürlichen Genveränderungen sind in einer Population anfangs immer neues und unverändertes Gen nebeneinander vorhanden. Die Genveränderungen können nur durch Variation (Mutation) und Rekombination vorhandener Gene entstehen.
  2. Die Ausbreitung von Pflanzen mit verändertem Gen erfolgt allmählich.
  3. Die Pflanzen haben natürliche Fressfeinde.
  4. Auf diese Fressfeinde wirken die veränderten Merkmale der Pflanzen mit neuem Gen mit zunehmender Ausbreitung als Selektionsdruck. Es werden diejenigen Individuen auf den veränderten Pflanzen bevorzugt erfolgreich sein, die (im Rahmen der natürlichen Variationsbreite von Merkmalen) bessere Voraussetzungen mitbringen (Präadaptation).
  5. So können sich neue Populationen (lokale Rassen) von Fressfeinden ausbilden, die an die neuen Eigenschaften der veränderten Pflanze angepasst sind. Langfristig können so neue Arten entstehen (Speziationsprozess).
Wie sieht es nun bei gentechnisch veränderten Pflanzen aus?
Das alles hat schwerwiegende Konsequenzen:
  1. Stochastische Prozesse spielen praktisch keine Rolle mehr bei der Ausbreitung und Etablierung.
  2. Wenn sich die gentechnisch veränderte Sorte etablieren kann, werden Wildformen schlagartig verdrängt.
  3. Damit entsteht ein enormer Selektionsdruck auf die Fressfeinde.
  4. Als Konsequenz wird ein Großteil der Fressfeinde umkommen, und mit ihnen die sie in Schach haltenden Prädatoren (z.B. Schlupfwespen).
  5. Bringen einige wenige Individuen z.B. aufgrund einer Mutation eine Präadaptation mit, die das Genprodukt des eingebrachten Gens für sie unwirksam macht, so können sie sich explosionsartig in eine leergefegte Nische vermehren.
  6. Damit ist der gentechnische Eingriff nutzlos geworden.
  7. Die Konsequenzen auf die Umwelt sind trotzdem verheerend, weil die Prädatoren, die die Fressfeinde ursprünglich in Schach gehalten haben (z.B. Schlupfwespen), jetzt fehlen. Meist wirkt sich das auch noch auf andere Flächen, und nicht nur die meist betrachteten Ackerflächen aus.
Was lernen wir daraus? Aus biologischer Sicht ist das Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen Irrsinn mit langfristig verheerenden Folgen.
Vorteile sind allenfalls kurzfristiger Natur. Finanziell rechnet sich das nur für Pharma- und Agrochemie-Unternehmen, die im Zweifelsfalle natürlich auch die später dann wieder notwendigen Spritzmittel produzieren.

Wieder mal wird der Allgemeinheit ein kurzfristiger Profit der Agrochemie-Industrie als im Interesse der Allgemeinheit verkauft! ("Grüne Gentechnik führt zum verringerten Einsatz von Spritzmitteln und ist damit gut für die Umwelt.")
Die Auswirkungen muss wieder die Allgemeinheit tragen (über höhere Schadstoffbelastung des Grundwassers oder der Nahrungsmittel und durch die ökologischen Folgen der Eliminierung von Arten). Privatisierung des Gewinns und Abwälzen der Risiken auf die Allgemeinheit!

Ein weiteres gravierendes Problem ergibt sich daraus, dass zumindest bisher als "Marker" (Reporter-Sonde) dafür, dass der Einbau erfolgreich war und das Gen aktiv ist, Resistenz-Gene gegen Antibiotika oder Herbizide verwendet werden. Wird das Erbgut von transgenen Pflanzen auf Wildpflanzen übertragen, werden auch die Resistenzen mitvererbt. Bei transgenen Tieren mit Antibiotikaresistenz ergeben sich zudem medizinische Probleme.

Am 17.04.2007 von Diethelm Schneider verfasst.