Wilde Bestäuber fördern Ertrag

Am 28.2.13 veröffentlichte das Wissenschaftsmagazin Science einen Beitrag über Blütenbestäuber, der von vielen Magazinen aufgegriffen wurde.
Wir möchten hier den Artikel von Peter Ruegg auf ETH Life zitieren:

 Veröffentlicht: 28.02.13

Science 

Mehr als Bienen 

Honigbienen sind wichtige Bestäuber. Aber nicht die einzig wichtigen, sagt eine neue Studie. Für eine reiche Ernte von verschiedenen Früchten und Samen sind viele andere Insekten essenzieller.

Peter Ruegg 

Wilde Insekten sind die besseren Bestäuber: Apis dorsata ist eine staatenbildende Wildbiene, die in Kaffeeanbaugebieten Indiens eine wichtige Rolle spielt. (Bild: Jaboury Ghazoul / ETH Zürich) (Grossbild) 

Seit Wochen läuft Markus Imhoofs Dokumentarfilm «More than Honey» in den Schweizer Kinos. Er ist eine Hommage an das fleissige Nutztier und eine Klage über das weltweite Sterben der Bienenvölker. Ein Drittel der menschlichen Nahrung habe man dem Fleiss der Bienen zu verdanken. Dieser etwas einseitigen Sichtweise widerspricht nun eine Studie, die soeben in der Fachzeitschrift «Science» veröffentlicht wurde.

Neben den domestizierten Honigbienen gibt es eine grosse Vielfalt wilder Bestäuber wie Wildbienen, Hummeln, aber auch Fliegen oder winzige Mücken. Sie bestäuben wie Honigbienen die Nutzpflanzen und tragen deshalb viel zur Ernährungs-sicherheit bei. Forscherinnen und Forscher untersuchten weltweit, wie wichtig diese anderen Insekten für die Nutzpflanzen in verschiedenen Anbausystemen sind. Hinter der Studie steht eine Kollaboration aus rund 40 Forschungs-gruppen von allen Kontinenten, darunter ETH-Professor Jaboury Ghazoul mit seiner Gruppe Ökosystem-Management. 

Wilde Bestäuber fördern Ertrag

Auf über 600 Probeflächen erhoben die Forscher Daten. Die Analyse der Daten zeigte einen eindeutigen, auf alle Anbausysteme übertragbaren Trend: Der Fruchtansatz von Nutzpflanzen wird grösser, wenn neben Honigbienen auch wilde Bestäuber die Blüten besuchen. Hingegen steigt der Fruchtansatz in nur 14 Prozent der untersuchten Anbausysteme, wenn mehrheitlich Bienen im Einsatz sind. Der Fruchtansatz ist der prozentuale Anteil der Blüten, aus denen sich Früchte entwickeln und letztlich den Ertrag bilden. 

Die Studie zeigt weiter: Wilde Insekten sind effektivere Bestäuber als Honigbienen. Wenn wilde Bestäuber gleichviele Blüten besuchen wie Honigbienen, verdoppelt sich der Fruchtansatz. Je häufiger wilde Bestäuber Blüten besuchen, desto grösser ist der Ertrag, selbst wenn Honigbienen ebenfalls häufige Blüten-besucherinnen waren. Auch scheint sich die Vielfalt der Bestäuber positiv auf den Ertrag auszuwirken. Je artenreicher die Bestäuber in einem Anbausystem waren, desto grösser war der Fruchtansatz. Auch hier fanden die Forscher heraus, dass dies unabhängig davon ist, wie häufig Honigbienen Blüten aufsuchten. 

Honigbienen kein Ersatz 

Honigbienen werden oft als Ersatz für wilde Bestäuber betrachtet. Die Resultate der Studie sagen aber etwas anderes: Honigbienen maximieren weder die Bestäubung noch können sie den Beitrag, den eine vielfältige Bestäubergemeinschaft leistet, vollständig kompensieren. Dies gilt für viele verschiedene landwirtschaftliche Anbauflächen weltweit. Mit anderen Worten: Ohne die Bestäubung durch andere Insekten wären Fruchtansatz und damit die Ernten vielerorts kleiner. «Wir würden einen substanziellen Teil der Ernte verlieren, wenn wir die wilden Bestäuber nicht mehr haben», betont der ETH-Professor. 

Die Sorge von Jaboury Ghazoul gilt denn auch der Insektenvielfalt und weniger der Honigbiene. «In Europa gingen in den vergangenen Jahrzehnten viele natürliche und halbnatürliche Lebensräume von bestäubenden Insekten verloren», sagt der ETH-Professor. Damit sei die Abhängigkeit von der Honigbiene und ihren Leistungen gestiegen. Honigbienen und andere Insekten ergänzen sich aber komplementär. «Gemeinsam bieten beide Bestäuber den besten Bestäubungsservice», so Ghazoul. 

Die Forscherinnen und Forscher plädieren deshalb dafür, natürliche oder naturnahe Gebiete in Landwirtschaftsflächen zu erhalten oder wieder herzustellen. Statt Monokulturen anzulegen, sollten vielfältige Anbauflächen und -methoden im Agrarland gepflegt werden. Ohne ökologische Aufwertung des Kulturlandes laufe man Gefahr, viele der nützlichen Insekten zu verlieren. 

Für diese Metastudie lieferte Ghazoul Daten aus einem Kaffeeanbaugebiet in Indien. Indien ist der viertgrösste Kaffeeproduzent der Welt und die Bauern sind fast vollständig vom Einkommen, dass sie mit Kaffee erzielen, abhängig. Forscherinnen und Forscher aus Ghazouls Gruppe untersuchen seit Jahren in Kodagu, einer Provinz in den Western Ghats, den komplexen Zusammenhang zwischen landwirtschaftlichen Praktiken, Klima, Waldschutz, Bienen und Kaffeeproduktion. Verschiedene Arten von Wildbienen spielen wie domestizierte Honigbienen eine wesentliche Rolle bei der Bestäubung der Kaffeeblüten. Weil die domestizierten Bienen durch ein Virus dahingerafft wurden, hängt der Ertrag mehr denn je von wilden Bestäubern ab. Der Bestand der wichtigsten wilden Biene Apis dorsata wiederum ist abhängig vom Waldschutz. Ohne grosse Bäume, wo sie ihre Nester an dicken Ästen aufhängen, kann Apis dorsata nicht überleben.


Literaturhinweis 

Garibaldi LA et al. Wild pollinators enhance fruit set of crops regardless of honey-bee abundance. Science, 2013. Published online 28th February. DOI:10.1126/science.1230200 

Quelle: http://www.ethlife.ethz.ch/archive_articles/130301_bienenstudie_per/index

Hier haben wir endlich nochmal die wissenschaftliche Bestätigung für das, was Wildbienenkenner schon lange sagen: Dass Wildbienen die effizienteren Bestäuber sind und wir auf die Vielfalt der Blütenbesucher angewiesen sind.
Die Notwendigkeit einer Umstellung unserer Landwirtschaft auf eine ökologische Wirtschaftsweise, die allen Blütenbesucher ein Überleben ermöglicht, kann nicht stark genug betont werden.

Am 02.03.2013 von Diethelm Schneider verfasst.