Woher wissen Bienen, wann sie schlüpfen müssen?
Wie wir gesehen haben, haben die meisten Wildbienen nur eine begrenzte Flugzeit. Meist beträgt die Flugzeit einer Population 1,5 bis 3 Monate. Dabei gibt es Arten, die ihre Flugzeit im frühesten Frühjahr haben, andere erst im Herbst.
Woher weiß die jeweilige Art, wann es Zeit ist für sie zu schlüpfen?
Dass es alleine das Wetter ist, das z.B. mit steigender Temperatur die Zeiten anhand unterschiedlicher artspezifischer Schwellentemperaturen vorgibt, können wir ausschließen. Denn für die im Herbst schlüpfenden Arten dürften alle denkbaren Schwellenwerte bereits mindestens einmal überschritten worden sein.
Haben Bienen einen Kalender?
Dann wäre es für sie schwierig, sich an sich ändernde Klimaverhältnisse anzupassen.
Stattdessen können wir beobachten, dass in Jahren wie 2007, als der
Frühling um 6 Wochen früher begann, die
Wildbienen diese Verschiebung mitmachten. Das ist für viele Wildbienen deshalb von Bedeutung, weil sie auf bestimmte Hauptpollenquellen mehr oder minder stark angewiesen sind. Weidenspezialisten, die erst
nach der Weidenblüte fliegen würden, hätten ein Problem!
Wie lösen Wildbienen das Problem, den Zeitpunkt des Schlüpfens zu bestimmen?
Am einfachsten ist das zu lösen, indem wir davon ausgehen, dass sie nicht einen Kalender, sondern einen
Zeitmesser haben. Damit könnten sie z.B. 300 Tage ab der Eiablage messen, das wäre dann bspw. der frühest mögliche Schlüpfzeitpunkt. Ob die Tiere dann schon oder erst später schlüpfen, hängt dann von dem zu diesem Zeitpunkt herrschenden Wetter ab.
Es gibt also neben dem Zeitmesser noch eine wetterabhängige Komponente, die aber erst wirksam wird, wenn die Mindestliegezeit überschritten ist.Der Vorteil dieser Lösung ist insbesondere, dass auch langfristige stärkere Klimaverschiebungen für die Wildbienen kein Problem darstellen, sofern die Mindestliegezeit nicht unterschritten wird. In unserem Beispiel (300 Tage) würde die Vorverlegung der Jahreszeit um mehr als 65 Tage
von einem Jahr auf das andere ein Problem darstellen.
Solange die Mindestliegezeit nicht unterschritten wird, werden auch starke Verschiebungen der Jahreszeiten von einem Jahr zum anderen abgefangen. Wildbienen und ihre Hauptpollenquellen bleiben synchron.
Wie messen Wildbienen die Zeit?
Professor Gehring in Heidelberg wies in seiner Vorlesung darauf hin, dass man in
Stoffwechselprozessen, bei denen zwei sich wechselseitig hemmende Enzyme (Stichwort:
negative Rückkopplung) nacheinander an der Umsetzung beteiligt sind, eine Periodizität, d.h. eine oszillatorische Zu- und Abnahme der Zwischenprodukte erhält.
Mit dieser Periodizität haben wir eine Zeitkomponente.
Ich möchte das an einer mechanischen Analogie verdeutlichen. Im Barockgarten von Schloss Ludwigslust bei Schwerin hat ein findiger Landschaftsarchitekt eine rein mechanische Vorrichtung entworfen, die in regelmäßigen Abständen eine Flutwelle durch den Garten schickt. Dazu wurde ein See aufgestaut, am Ausfluss des Sees wurde auf einer Schräge eine Stauvorrichtung gebaut, deren Stauwand sich abhängig von der Füllhöhe völlig selbständig mechanisch öffnet und schließt.
Da wir bei
konstantem Zufluss immer
eine bestimmte Zeit benötigen, bis die Staustufe voll ist und sich öffnet, können wir jetzt die Zeit messen, auch wenn wir weder Uhr noch Durchflusszähler haben, indem wir die
Anzahl der Flutwellen (=Öffnungen der Staustufe)
zählen.
Diese Zeitmessung ist nur abhängig vom Zufluss, aber nicht mehr von Kalenderdaten!Das Volumen der Staustufe ist normalerweise groß im Vergleich zur Zuflussmenge. Dadurch werden kleinere Zuflussschwankungen ausgeglichen.Wird dagegen die Zuflussmenge
dauerhaft erhöht, so
erhöht sich die Frequenz der Flutwellen. Eine Herabsetzung der Zuflussmenge setzt die Anzahl der Flutwellen dagegen herab.
Unsere Subjektive Uhr, bei der wir die Flutwellen zählen, geht dadurch schneller oder langsamer!Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang, was in 'Biologie in unserer Zeit' 3 | 2007 (37), S. 196 zu finden ist:
"Eine der wirkungsvollsten Strategien zur Lebensverlängerung ist eine moderate Reduktion der Nahrungsaufnahme (calorie reduction, CR). Studien an mehreren Tiermodellen (C. elegans, Mäuse, Ratten, Rhesusaffen) ergaben jeweils eine deutliche Verlängerung der Lebenszeit (bis zu 50%) bei einer Reduktion der aufgenommenen Kalorien um etwa 30-50%. Mit großer Wahrscheinlichkeit trifft dies auch auf den Menschen zu, obwohl, derartige Studien an Menschen wegen der zahlreichen weiteren Einflüsse auf die Lebenszeit sehr schwierig sind (zumindest gibt es schon lange die Volksweisheit FDH ("friss die Hälfte"). Man muss jedoch hinzufügen, dass das nicht für alte Menschen gilt, die ohnehin meist weniger Appetit haben und oft aufgrund von Abbauprozessen an Gewicht verlieren."
Und in der Zusammenfassung (S. 198):
"Allgemein sind eine gesunde (nicht zu reichliche!) Ernährung verbunden mit körperlicher und geistiger Aktivität sowie Strategien zur Stressbewältigung Mittel gegen frühzeitiges Altern, während pharmakotherapeutische Manipulation aller dieser Faktoren mit dem Ziel einer drastischen Verlängerung der Lebensdauer mit großer Skepsis betrachtet werden müssen."
Mit unserem Modell der Subjektiven Uhr auf Basis mehr oder minder konstanter Stoffumsätze lassen sich also viele Befunde plausibel erklären. Auch der Mensch hat übrigens eine Subjektive Uhr, die sich im Dauerdunkel (also ohne äußere Zeitgeber) bei einer Tageslänge von 25 Stunden einpendelt. Man spricht hier von einem circadianen Rhythmus, weil die 25 Stunden circa einem Tag entsprechen.
Es wäre interessant zu sehen, ob sich die subjektive Tageslänge durch Diät auf bspw. 27 Stunden erhöhen lässt.