Warum Unkrautvernichtungsmittel wirkungslos werden

Unter dem Titel 'Gentechnik lÀsst Unkraut wuchern' berichtet inzwischen sogar das Handelsblatt von zunehmend resistenten AckerunkrÀutern, die mit Spritzmitteln nicht mehr in den Griff zu bekommen sind.

Landwirtschaft
Gentechnik lÀsst Unkraut wuchern

In  den USA droht eine Krise in der Landwirtschaft: Super-UnkrĂ€uter zeigen  sich resistent gegen Vernichtungsmittel. Das liegt offenbar am  Zusammenspiel mit gentechnisch manipulierten Pflanzen. Es droht ein  Teufelskreis.

Im Zusammenspiel zwischen gentechnisch manipulierten Pflanzen und Unkrautgiften hat sich ein Super-Unkraut herausgebildet, das resistent gegen Vernichtungsmittel ist. Quelle: dpa
Im  Zusammenspiel zwischen gentechnisch manipulierten Pflanzen und  Unkrautgiften hat sich ein Super-Unkraut herausgebildet, das resistent  gegen Vernichtungsmittel ist. Quelle: dpa

New York | Auf  den Baumwoll-, Soja- und Maisfeldern in den USA breiten sich sogenannte  Super-UnkrĂ€uter aus, die vollkommen resistent gegen  Unkrautvernichtungsmittel sind. Gentechnik-Gegner und einige  Wissenschaftler machen gentechnisch verĂ€nderte Pflanzen fĂŒr dieses  PhĂ€nomen verantwortlich. „Die Vereinigten Staaten steuern auf eine Krise  zu“, warnte eine im September im Wissenschaftsmagazin „Science“  veröffentlichte Studie.

In einigen Regionen des Landes  wĂŒchsen die UnkrĂ€uter, die resistent gegen das Unkrautvernichtungsmittel  Glyphosat seien, schon auf einem Großteil der Felder. Diese Kulturen  basieren in den USA zu 90 Prozent auf gentechnisch verĂ€ndertem Saatgut.  In einer vor knapp einem Jahr veröffentlichten Umfrage des  MarktforschungsbĂŒros Stratus gaben 49 Prozent der befragten Landwirte  an, 2012 Glyphosat-resistente UnkrĂ€uter auf ihren FlĂ€chen gefunden zu  haben. Das war ein Anstieg um 34 Prozent binnen eines Jahres.

Glyphosat ist das weltweit am hĂ€ufigsten eingesetzte Pflanzengift. Der US-Konzern Monsanto entwickelte es in den 70er Jahren und vertreibt es heute unter dem Namen Roundup. Die Konkurrenz hat andere Namen dafĂŒr.

FĂŒr  die Ausbreitung der Super-UnkrĂ€uter weist die mĂ€chtige Saatgutindustrie  jede Verantwortung zurĂŒck. Eine Sprecherin von Monsanto, das 1996 das  erste gegen Glyphosat resistente Saatgut auf den Markt brachte, betont,  dass es schon vor den ersten gentechnisch verĂ€nderten Organismen (GVO)  Unkraut gegeben habe, das resistent gegen Pflanzengift gewesen sei. Auch  ein Sprecher des US-Landwirtschaftsministeriums bestĂ€tigt, dass es das  PhĂ€nomen schon „seit Jahrzehnten“ gebe und dies eine Folge der  Entwicklung sei: „Die Pflanzen betreiben eine natĂŒrliche Selektion, um  mit der Zeit resistenter zu werden.“

Bill Freese vom Zentrum fĂŒr  Lebensmittelsicherheit, einer Gentechnik ablehnenden  Nichtregierungsorganisation, gibt aber zu bedenken, dass es zwar das  Problem der Resistenz schon vor gentechnisch verĂ€ndertem Saatgut gegeben  habe – sich dieses aber mit dessen Verwendung „stark beschleunigt“  habe. Diese Meinung teilt auch Charles Benbrook vom Zentrum fĂŒr  nachhaltige Landwirtschaft und erneuerbare Ressourcen an der Washington  State UniversitĂ€t. Auf den Feldern seien seit der EinfĂŒhrung  gentechnisch verĂ€nderten Saatguts grĂ¶ĂŸere Mengen an Pflanzengift  eingesetzt worden. Erst dies habe zu der Glyphosat-Resistenz gefĂŒhrt.

Landwirte in einem Teufelskreis

Eine  auf der Website des Gentech-Herstellers Pioneer veröffentlichte Studie  stellt ebenfalls fest, dass das Problem zuallererst in Gebieten  aufgetaucht sei, in denen Glyphosat ĂŒber mehrere Jahre mehrmals in einer  Saison gespritzt wurde. Das US-Landwirtschaftsministerium betont, und  dies bestĂ€tigen die Wissenschaftler, dass nicht das gentechnisch  verĂ€nderte Saatgut an sich die Ursache der Super-UnkrĂ€uter sei, sondern  â€ždie von den Landwirten gewĂ€hlten Praktiken“, die das von Monsanto und seinen Konkurrenten vertriebene System von gentechnisch verĂ€ndertem Saatgut plus Glyphosat umgesetzt hĂ€tten.

„Die Bauern haben sich zu stark auf den Glyphosat-Pflanzengiften  in Verbindung mit GVO ausgeruht“, heißt es in einer vor zwei Jahren  veröffentlichten Studie in der Zeitschrift „BioSciences“. Ein Sprecher  des Agro-Chemiekonzerns Dow sagt, die Landwirte hĂ€tten Glyphosat  â€žĂŒbermĂ€ĂŸig angewendet“, weil die „keine bessere Alternative“ dazu  gesehen hĂ€tten.

Wissenschaftler Benbrook spricht von  einem Teufelskreis: Denn angesichts der Super-UnkrĂ€uter hĂ€tten die  Landwirte den Einsatz von Pflanzengiften „um rund 25 Prozent pro Jahr“  erhöht. In den USA rechneten viele Experten damit, dass die Zulassung  von Saatgut, das gegen mehrere Pflanzengifte resistent sein soll, die  Anwendung von Unkrautvernichtungsmitteln um mindestens 50 Prozent  ansteigen lassen wird. Derweil machen sich auf den Feldern in den USA  schon UnkrĂ€uter breit, denen gleich mehrere Pflanzenschutzmittel nichts  anhaben können.

Quelle: http://www.handelsblatt.com/technologie/das-technologie-update/healthcare/landwirtschaft-gentechnik-laesst-unkraut-wuchern/v_detail_tab_print/9359522.html

Wie ist das nun mit dem Gift und den SuperunkrÀutern? Welche Rolle spielt die Gentechnik dabei? Und warum war genau diese Entwicklung schon lange vorhersehbar?

Die Pflanze

Jede Pflanze (jedes Lebewesen) steht mit seiner Umgebung in Wechselwirkung. So bestimmen Bodenart, NĂ€hrstoffgehalt, WasserverfĂŒgbarkeit, Überschwemmungsdauer, HĂ€ufigkeit der Bodenbearbeitung sowie WĂ€rme und Licht, welche Arten an einer Stelle wie gut wachsen können. Sie selektieren unter eventuell vorhandenen Keimlingen diejenigen aus, die mit genau diesen Faktoren zurecht kommen. Man nennt sie daher Selektionsfaktoren und den Vorgang Selektion. Je stĂ€rker ein Selektionsfaktor begrenzend auf das Vorkommen wirkt, desto stĂ€rker ist die Selektion.

Das Gift

Auch Spritzmittel sind ein Selektionsfaktor. Und zwar ein sehr starker. Der ĂŒberwiegende Teil der Pflanzen wird abgetötet. Allederings gibt es aufgrund der natĂŒrlich vorhandenen VariabilitĂ€t des Genmaterials (Mutation, Rekombination) einer Population immer ein paar wenige, die VerĂ€nderungen mitbringen (sogenannte PrĂ€adaptationen), die das Gift unwirksam machen.

Diese resistenten Pflanzen können sich jetzt angsichts fehlender Konkurrenz massenhaft ausbreiten. Je stÀrker die Selektion, desto leergefegter die ökologische Nische, desto stÀrker kann sich diese Pflanze ausbreiten.

Je höher also der Spritzmitteleinsatz ist, desto schneller gibt es flÀchendeckend resistente UnkrÀuter.

Die Gentechnik

Die Gentechnik ist nicht ursĂ€chlich fĂŒr das Auftreten resitenter UnkrĂ€uter. Da Gentechnik aber hĂ€ufig dazu eingesetzt wird, FeldfrĂŒchte resistent gegen Spritzmittel zu machen, werden diese Spritzmittel nicht mehr nur vor der Saat, sondern auch auf den wachsenden Bestand angewendet. HĂ€ufigerer Spritzmitteleinsatz stellt einen stĂ€rkeren Selektionsfaktor dar, das wiederum fĂŒhrt zu deutlich schnellerer Ausbreitung resistenter UnkrĂ€uter. Deswegen treten die SuperunkrĂ€uter auf GentechnikĂ€ckern zuerst flĂ€chendeckend auf.

Vorhersehbarkeit

Weil Ökologen diese ZusammenhĂ€nge schon lange kannten, war diese Entwicklung auch vorhersehbar. Von Vertretern der Gentechnikindustrie wurde diese Problematik immer geleugnet bzw. behauptet, mit dem richtigen Management könnte die Resistenzbildung verhindert werden. Nur: Wie sĂ€he das richtige Management aus? Die Bauern mĂŒssten breite Streifen der gleichen Feldfrucht rundum spritzmittelfrei anbauen, damit dort keine Selektion auf Resistenz stattfindet und genetisch immer eine Durchmischung des Erbguts resistenter mit dem nichtresistenter UnkrĂ€uter stattfindet. Die versprochene höhere Ernteausbeute mĂŒsste man so wieder fĂŒr die Vermeidung der Resistenzbildung opfern.

Schlussfolgerung

Pestizide stellen keine langfristige Strategie zur BekĂ€mpfung von UnkrĂ€utern oder SchĂ€dlingen dar. Ein hoher Input an Gift und Kosten schaft neue Probleme, die wieder mit neuem Gift und neuen Kosten bekĂ€mpft werden. FĂŒr den Bauern ergibt sich eine steigende Kostenspirale ohne steigende ErtrĂ€ge.

Ein nachhaltige und beherrschbare Landwirschaft stellt nur der spritzmittelfreie, kleinbĂ€uerliche und reich strukturierte Ökolandbau dar.


Siehe auch:

Zu wenig BestÀuber?

Gentechnik-Pflanzen in vielen LĂ€ndern außer Kontrolle

Neue SuperschÀdlinge auf dem Acker?

Verlust der Biologischen Vielfalt - Pestizide sind Hauptursache

Der Maiswurzelbohrer und die Gentechnik

Saatgutbehandlung tötet Bienen

Am 22.01.2014 von Diethelm Schneider verfasst.