Quelle: http://www.handelsblatt.com/technologie/das-technologie-update/healthcare/landwirtschaft-gentechnik-laesst-unkraut-wuchern/v_detail_tab_print/9359522.htmlLandwirtschaft
Gentechnik lÀsst Unkraut wuchern20.01.2014, 18:03 UhrIn den USA droht eine Krise in der Landwirtschaft: Super-UnkrÀuter zeigen sich resistent gegen Vernichtungsmittel. Das liegt offenbar am Zusammenspiel mit gentechnisch manipulierten Pflanzen. Es droht ein Teufelskreis.
New York | Auf den Baumwoll-, Soja- und Maisfeldern in den USA breiten sich sogenannte Super-UnkrĂ€uter aus, die vollkommen resistent gegen Unkrautvernichtungsmittel sind. Gentechnik-Gegner und einige Wissenschaftler machen gentechnisch verĂ€nderte Pflanzen fĂŒr dieses PhĂ€nomen verantwortlich. âDie Vereinigten Staaten steuern auf eine Krise zuâ, warnte eine im September im Wissenschaftsmagazin âScienceâ veröffentlichte Studie.
In einigen Regionen des Landes wĂŒchsen die UnkrĂ€uter, die resistent gegen das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat seien, schon auf einem GroĂteil der Felder. Diese Kulturen basieren in den USA zu 90 Prozent auf gentechnisch verĂ€ndertem Saatgut. In einer vor knapp einem Jahr veröffentlichten Umfrage des MarktforschungsbĂŒros Stratus gaben 49 Prozent der befragten Landwirte an, 2012 Glyphosat-resistente UnkrĂ€uter auf ihren FlĂ€chen gefunden zu haben. Das war ein Anstieg um 34 Prozent binnen eines Jahres.
Glyphosat ist das weltweit am hĂ€ufigsten eingesetzte Pflanzengift. Der US-Konzern Monsanto entwickelte es in den 70er Jahren und vertreibt es heute unter dem Namen Roundup. Die Konkurrenz hat andere Namen dafĂŒr.
FĂŒr die Ausbreitung der Super-UnkrĂ€uter weist die mĂ€chtige Saatgutindustrie jede Verantwortung zurĂŒck. Eine Sprecherin von Monsanto, das 1996 das erste gegen Glyphosat resistente Saatgut auf den Markt brachte, betont, dass es schon vor den ersten gentechnisch verĂ€nderten Organismen (GVO) Unkraut gegeben habe, das resistent gegen Pflanzengift gewesen sei. Auch ein Sprecher des US-Landwirtschaftsministeriums bestĂ€tigt, dass es das PhĂ€nomen schon âseit Jahrzehntenâ gebe und dies eine Folge der Entwicklung sei: âDie Pflanzen betreiben eine natĂŒrliche Selektion, um mit der Zeit resistenter zu werden.â
Bill Freese vom Zentrum fĂŒr Lebensmittelsicherheit, einer Gentechnik ablehnenden Nichtregierungsorganisation, gibt aber zu bedenken, dass es zwar das Problem der Resistenz schon vor gentechnisch verĂ€ndertem Saatgut gegeben habe â sich dieses aber mit dessen Verwendung âstark beschleunigtâ habe. Diese Meinung teilt auch Charles Benbrook vom Zentrum fĂŒr nachhaltige Landwirtschaft und erneuerbare Ressourcen an der Washington State UniversitĂ€t. Auf den Feldern seien seit der EinfĂŒhrung gentechnisch verĂ€nderten Saatguts gröĂere Mengen an Pflanzengift eingesetzt worden. Erst dies habe zu der Glyphosat-Resistenz gefĂŒhrt.
Landwirte in einem Teufelskreis
Eine auf der Website des Gentech-Herstellers Pioneer veröffentlichte Studie stellt ebenfalls fest, dass das Problem zuallererst in Gebieten aufgetaucht sei, in denen Glyphosat ĂŒber mehrere Jahre mehrmals in einer Saison gespritzt wurde. Das US-Landwirtschaftsministerium betont, und dies bestĂ€tigen die Wissenschaftler, dass nicht das gentechnisch verĂ€nderte Saatgut an sich die Ursache der Super-UnkrĂ€uter sei, sondern âdie von den Landwirten gewĂ€hlten Praktikenâ, die das von Monsanto und seinen Konkurrenten vertriebene System von gentechnisch verĂ€ndertem Saatgut plus Glyphosat umgesetzt hĂ€tten.
âDie Bauern haben sich zu stark auf den Glyphosat-Pflanzengiften in Verbindung mit GVO ausgeruhtâ, heiĂt es in einer vor zwei Jahren veröffentlichten Studie in der Zeitschrift âBioSciencesâ. Ein Sprecher des Agro-Chemiekonzerns Dow sagt, die Landwirte hĂ€tten Glyphosat âĂŒbermĂ€Ăig angewendetâ, weil die âkeine bessere Alternativeâ dazu gesehen hĂ€tten.
Wissenschaftler Benbrook spricht von einem Teufelskreis: Denn angesichts der Super-UnkrĂ€uter hĂ€tten die Landwirte den Einsatz von Pflanzengiften âum rund 25 Prozent pro Jahrâ erhöht. In den USA rechneten viele Experten damit, dass die Zulassung von Saatgut, das gegen mehrere Pflanzengifte resistent sein soll, die Anwendung von Unkrautvernichtungsmitteln um mindestens 50 Prozent ansteigen lassen wird. Derweil machen sich auf den Feldern in den USA schon UnkrĂ€uter breit, denen gleich mehrere Pflanzenschutzmittel nichts anhaben können.
Jede Pflanze (jedes Lebewesen) steht mit seiner Umgebung in Wechselwirkung. So bestimmen Bodenart, NĂ€hrstoffgehalt, WasserverfĂŒgbarkeit, Ăberschwemmungsdauer, HĂ€ufigkeit der Bodenbearbeitung sowie WĂ€rme und Licht, welche Arten an einer Stelle wie gut wachsen können. Sie selektieren unter eventuell vorhandenen Keimlingen diejenigen aus, die mit genau diesen Faktoren zurecht kommen. Man nennt sie daher Selektionsfaktoren und den Vorgang Selektion. Je stĂ€rker ein Selektionsfaktor begrenzend auf das Vorkommen wirkt, desto stĂ€rker ist die Selektion.
Auch Spritzmittel sind ein Selektionsfaktor. Und zwar ein sehr starker. Der ĂŒberwiegende Teil der Pflanzen wird abgetötet. Allederings gibt es aufgrund der natĂŒrlich vorhandenen VariabilitĂ€t des Genmaterials (Mutation, Rekombination) einer Population immer ein paar wenige, die VerĂ€nderungen mitbringen (sogenannte PrĂ€adaptationen), die das Gift unwirksam machen.
Diese resistenten Pflanzen können sich jetzt angsichts fehlender Konkurrenz massenhaft ausbreiten. Je stÀrker die Selektion, desto leergefegter die ökologische Nische, desto stÀrker kann sich diese Pflanze ausbreiten.
Je höher also der Spritzmitteleinsatz ist, desto schneller gibt es flÀchendeckend resistente UnkrÀuter.
Die Gentechnik ist nicht ursĂ€chlich fĂŒr das Auftreten resitenter UnkrĂ€uter. Da Gentechnik aber hĂ€ufig dazu eingesetzt wird, FeldfrĂŒchte resistent gegen Spritzmittel zu machen, werden diese Spritzmittel nicht mehr nur vor der Saat, sondern auch auf den wachsenden Bestand angewendet. HĂ€ufigerer Spritzmitteleinsatz stellt einen stĂ€rkeren Selektionsfaktor dar, das wiederum fĂŒhrt zu deutlich schnellerer Ausbreitung resistenter UnkrĂ€uter. Deswegen treten die SuperunkrĂ€uter auf GentechnikĂ€ckern zuerst flĂ€chendeckend auf.
Weil Ăkologen diese ZusammenhĂ€nge schon lange kannten, war diese Entwicklung auch vorhersehbar. Von Vertretern der Gentechnikindustrie wurde diese Problematik immer geleugnet bzw. behauptet, mit dem richtigen Management könnte die Resistenzbildung verhindert werden. Nur: Wie sĂ€he das richtige Management aus? Die Bauern mĂŒssten breite Streifen der gleichen Feldfrucht rundum spritzmittelfrei anbauen, damit dort keine Selektion auf Resistenz stattfindet und genetisch immer eine Durchmischung des Erbguts resistenter mit dem nichtresistenter UnkrĂ€uter stattfindet. Die versprochene höhere Ernteausbeute mĂŒsste man so wieder fĂŒr die Vermeidung der Resistenzbildung opfern.
Pestizide stellen keine langfristige Strategie zur BekĂ€mpfung von UnkrĂ€utern oder SchĂ€dlingen dar. Ein hoher Input an Gift und Kosten schaft neue Probleme, die wieder mit neuem Gift und neuen Kosten bekĂ€mpft werden. FĂŒr den Bauern ergibt sich eine steigende Kostenspirale ohne steigende ErtrĂ€ge.
Ein nachhaltige und beherrschbare Landwirschaft stellt nur der spritzmittelfreie, kleinbĂ€uerliche und reich strukturierte Ăkolandbau dar.
Siehe auch: